… beginnt am kommenden Mittwoch, dem 25. Juli die Saison der Bayreuther Festspiele. Ich habe mir aber schon einmal vorab zwei Generalproben angehört: am Donnerstag Parsifal und am Freitag Siegfried.

Bayreuth 2007

Nachdem ich 2004 erstmalig an dieser Pilgerstätte für Wagnerianer die Generalprobe zum Rheingold (damals noch in der Inszenierung von Jürgen Flimm) gesehen hatte, verspürte ich auch dieses Jahr wieder Lust, eine Pilgerreise auf den grünen Hügel zu unternehmen. Diesmal bekam ich dankenswerter Weise sogar zwei Karten für Generalproben geschenkt (An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Andrea und Rainer!), so dass ich mich an zwei aufeinander folgenden Tagen dem Wagnerschen Klangrausch hingeben konnte.

Und, wie wars?

Tja, dazu gäbe es eine Menge zu schreiben! Aber auf den Rückseiten der Eintritttskarten ist jeweils zu lesen:

[…] Es wird darauf hingewiesen, daß diese Probe Bestandteil der Aufführungsvorbereitungen ist und daher nicht den Charakter einer vollgültigen Vorstellung haben kann. […] Von einer öffentlichen Kritik aufgrund des Besuches dieser Probe ist Abstand zu nehmen. […]

Hmm, was mache ich jetzt? Riskiere ich eine Abmahnung, wenn ich plaudere? Andererseits handelt es sich ja bei beiden Stücken nicht um Neuinszenierungen; die Neuinszenierung des Parsifal durch Christoph Schlingensief – der Skandal, der keiner war – ist ja nun auch schon drei Jahre alt. Wer könnte sich daran stören, wenn ich Dinge ausplaudere, die bereits jeder weiß?

Wohlan denn, ich tu’s:

Allgemeine Anmerkungen zu Bayreuth

Was ist das Besondere, die Magie an Bayreuth? Warum unterziehen sich so viele Menschen Jahr für Jahr gewissen Torturen? Denn das muss man sagen: Eine Oper im Bayreuther Festspielhaus zu sehen und zu hören, ist zumindest für Knie, Gesäß und Rücken eine Qual. 1974 Sitzplätze in einem doch nicht übermäßig großen Opernhaus unterzubringen, fordert eben einen gewissen Tribut an den Sitzabstand, und die dünne Stoffauflage auf den Holzsitzen als Polsterung zu bezeichnen, wäre ein glatter Euphemismus. Bei den Temperaturen der letzten Tage verliert man dabei auch eine Menge Flüssigkeit durch Transpiration. Und bei einer viereinhalbstündigen Oper wie Parsifal oder Siegfried verbringt man inkl. der zwei einstündigen Pausen etwa sechseinhalb Stunden im und ums Festspielhaus.

Dennoch wiegt das Erlebnis einer Aufführung die Strapazen auf. Für mich persönlich ist es vor allem der einzigartige Klang: Während die Sängerbesetzungen in Bayreuth doch zumeist eher durchwachsen sind – da kann man in anderen Opernhäusern bzw. bei anderen Festivals teilweise Besseres hören –, so stehen Chor und Orchester, gemessen an anderen Opernchören bzw. -orchestern, relativ konkurrenzlos da.

Untrennbar von dem Ort ist aber die einzigartige Konstruktion des verdeckten Orchestergrabens. Durch diesen wir ein beispielloses akustisches Erlebnis hervorgerufen: Der Klang des Orchesters ist trotz der Abdeckung brillant und kraftvoll. Aber obwohl sich das Orchester nicht merklich zurückhält, werden die Sänger nie durch das Orchester verdeckt – sie haben die Möglichkeit, ohne zu forcieren mühelos über das Orchester zu singen. Diese akustische Gegebenheit ist meiner Kenntnis nach weltweit einzigartig.

Anmerkungen zur Parsifal-Generalprobe

Um das Fazit vorwegzunehmen: Mir gefällt die Inszenierung!

Die einzige Legitimierung für mich, Opern zu inszenieren und nicht konzertant aufzuführen, ist, dass es etwas zu sehen gibt. Und diese Vorgabe erfüllt Christoph Schlingensief in unübertrefflicher Weise. Ja, es gibt sogar so viel zu sehen, dass man es bei einmaligem Ansehen gar nicht alles erfassen kann. Aber seien wir ehrlich: Wer wollte sich anmaßen zu behaupten, er könne bei erstmaligem Hören von Wagners Parsifal sofort alles hören und gar noch verstehen, was in dieser großartigen Musik steckt?

Uns so schafft Schlingensief mit seiner optischen Reizüberflutung ein Pendant zu der akustischen Reizüberflutung durch Wagners Musik. Die Inszenierung macht Lust auf die Suche nach weiteren Details, die man vorher noch nicht entdeckt hat, auf das Deuten der Symbole, die einem in mannigfaltiger Weise entgegenpurzeln. Und die Inszenierung hat Momente, die einem sich die Frage stellen lassen, ob nicht auch in der Musik noch mehr drin steckt als nur bloße Schönheit.

Das Sängerensemble ist – wie so oft in Bayreuth – durchwachsen. Am ehesten überzeugen Robert Holl als Gurnemanz und Evelyn Herlitzius als Kundry. Christian Thielemann. Vom ersten Paukenwirbel bis zum letzten Ton ist die Aufführung voller Dramatik, Spannung, Feuer und Dynamik. Es ist frappierend zu hören, wie ein an sich schon sehr gutes Orchester durch einen sehr guten Dirigenten noch über sich hinauswachsen kann.

Die Inszenierung Tankred Dorsts hingegen ist ohne Überraschungen. Ein paar wenige Regieeinfälle mögen einen zum Schmunzeln anregen, ansonsten ist das Opernregie aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Von den Sängern kann nur Albert Dohmen als Wotan (Wanderer) wirklich überzeugen. Stephen Gould als Siegfried bietet leider in kurzer Zeit relativ viele Stimmqualitäten an, von denen nicht alle gefallen wollen. Linda Watson als Brünnhilde kann mit einem berückend schönen Piano aufwarten. Leider büßt ihre Stimme bei zunehmender Lautstärke viel von ihrer Schönheit ein.

Dennoch ist es insgesamt eine beeindruckende Aufführung: Wagners Musik in der Interpretation von Christian Thielemann ist ein unvergessliches Erlebnis!