Seit einigen Tagen denke ich über die Konzeption eines Blogartikels über Online-Ressourcen für freie Musiknoten nach. Einen zentralen Bestandteil dieser Ressourcen bildet das International Music Score Library Project (IMSLP). Oder muss man sagen: bildete? Ein Artikel auf Heise Online von gestern hat mich ziemlich verstört:
Das kanadische International Music Score Library Project (IMSLP) ist nach einer Unterlassungsaufforderung des Musik- und Bühnenverlags Universal Edition nun nicht mehr im Internet erreichbar. Das IMSLP erarbeitet nach dem Wiki-Prinzip eine Online-Bibliothek für Musiknoten, die nicht mehr unter Copyright stehen. Universal Edition mahnt an, unter dem IMSLP-Angebot befinde sich aber auch urheberrechtlich geschütztes Material. Der IMSLP-Betreiber schreibt auf seiner Homepage, der Musikverlag habe nicht verlangt, das Angebot offline zu nehmen. Es erfordere aber viel Arbeit und Geld, den Forderungen von Universal Edition nachzugeben, und da er beides nicht aufbringen könne, sei das Angebot nun nicht mehr verfügbar.
In der Unterlassungsaufforderung (PDF-Datei) vom 5. Oktober 2007 heißt es, Universal Edition besitze unter anderem Rechte an den Werken von Komponisten wie Béla Bartók, Alban Berg und Gustav Mahler. Die Auslauffrist für das Copyright betrage in Kanada 50 Jahre ab Tod eines Urhebers, in Europa aber 70 Jahre. Das IMSLP habe bis zum 19. Oktober Zeit, ein Filtersystem zu installieren, um den Upload von urheberrechtlich geschützten Werken zu unterbinden. Ansonsten werde der Projekt-Betreiber persönlich zur Verantwortung gezogen.
Von den drei im Heise-Artikel genannten Komponisten kann aber höchstens Béla Bartók als Stein des Anstoßes in Frage kommen, die beiden anderen sind nämlich bereits mehr als 70 Jahre tot. Andererseits ist Urheberrecht ein weites Feld. Zur Beurteilung, ob ein Werk als solches dem Urheberrecht unterliegt, wird die sog. Schöpfungshöhe (sehr lesenswerter Artikel bei Wikipedia!) herangezogen: Ein reiner Notensatz, also das bloße Drucken eines musikalischen Werkes, erreicht nicht genügend Schöpfungshöhe, um schützenswert zu sein. Aber Vorsicht: Eine musikalische Ausgabe kann als Bearbeitung gelten, wenn sie ein Arrangement, eine spieltechnische Einrichtung oder beispielsweise eine Generalbassaussetzung darstellt, und kann somit für weitere 70 Jahre schützenswert sein.
Bleibt zu hoffen, dass es das IMSLP trotz der augenblicklichen Widrigkeitenbald wieder schafft online zu gehen. Es wäre ein herber Verlust!
(via Der Schockwellenreiter)
22. Oktober 2007 um 23:28 Uhr
Ich hatte im August noch auf die Notenbibliothek hingewiesen – ein echtes Ärgernis, wenns wie jetzt offline bliebe.
23. Oktober 2007 um 07:05 Uhr
Genau durch diesen, Deinen Beitrag bin ich auf das Projekt aufmerksam geworden. Nun, ich denke, da wird sich eine Lösung finden. Mal abwarten…