Es ist mal wieder schwer. Der Stimmzettel meines Wahlkreises bietet zur diesjährigen Bundestagswahl für die Zweitstimme 24 verschiedene Optionen, und darin ist die Option „Nichtwählen“ noch nicht enthalten. Zudem beherrschen meine Social-Media-Timelines seit Monaten mehr oder weniger intelligente Bashings einer braunen Partei mit blauem Anstrich, oft verbunden mit der ebenfalls mehr oder weniger durchdachten Aufforderung „Wählen gehen!“

Die Qual der Wahl bringt mich dazu, mit dem ehernen Grundsatz zu brechen, dieses Blog Politik-frei zu halten.

Welche Parteien ich nicht (mehr) wählen werde

Ich bin ein klassischer Wechselwähler. Meine Wählerkarriere begann ich als junger unbedarfter Mensch in Deutschlands Grünen-Hochburg Freiburg mit einem Mainstream-Kreuz bei den Grünen. Als dann allerdings die Gefahr bestand, dass Die Grünen im Bundestag Regierungspartner werden würden, versuchte ich das mit einem Kreuz bei der CDU zu verhindern – leider ohne Erfolg. Das Kreuz bei der CDU wiederholte ich aus persönlichem Opportunismus noch mindestens einmal, weil ich annahm, dass deren Kulturpolitik den Zielen und der Finanzierung meines Hauptarbeitgebers nützen könnte. Auf Landesebene beging ich Vergleichbares mit einem Kreuz bei der SPD.

Schluss mit Opportunismus: DIE LINKE

Durch meine Arbeit bei der Gewerkschaft rückte das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ aber immer stärker in den Focus meiner politischen Präferenzen. Und mehr und mehr begann ich mich für Inhalte und Ziele der Partei „DIE LINKE“ zu interessieren. Die Bildung, Klugheit und Ehrlichkeit der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht faszinierte und überzeugte mich. Ihre Oppositionsarbeit fand ich richtig, wichtig und unterstützenswert.

Bis vor etwa einer Woche war ich also noch überzeugt davon, dass ich DIE LINKE wählen werde …

… doch es kam anders:

Warum nicht DIE PARTEI?

Die Partei DIE PARTEI empfand ich seit ihrer Gründung 2004 als große Bereicherung der deutschen Parteienlandschaft. 2014 habe ich ihr deshalb auch mit zum Einzug ins Europaparlament verholfen. Und tatsächlich stand sie auf meiner Wahloptionen-Präferenzliste bis vor einer Woche noch auf Platz 2.

Nehmen die Medien ihre Aufgabe als Vierte Gewalt noch wahr?

Diese Frage habe ich mir die letzten Jahre etliche Male stellen müssen. Und dann erschienen Ende letzter Woche zwei unsägliche Artikel, welche diese Frage auf ein neues Aktualitätslevel hievten: Martin Kaul auf taz.de (der Hauspostille der Grünen) und Benjamin Konietzny auf n-tv.de (einem der vielen gleichgeschalteten Springer-Organe) bringen Journalismus in Deutschland zu einem neuen Tiefpunkt. Dass Stefan Niggemeier auf Facebook in leicht abgemilderter Form und tatsächlich auch nicht ganz ohne zu argumentieren, in ein ähnliches Horn tutet, verbuche ich einfach mal als Ausrutscher.

Wenn irgendwo der Begriff „Besserwisser“ zu lesen ist, dann ist das quasi synonym zu „Achtung, argumentationsfreie Zone!“ Eine weitere Zer- bzw. Widerlegung der beiden Machwerke kann ich mir ersparen, dann das haben etliche Journalisten schon mehr oder weniger gut getan, stellvertretend sei hier nur die relativ sachliche Analyse durch Margarete Stokowski auf SpOn genannt.

Warum also DIE PARTEI?

Ein weiteres, gutes Gegenargument kommt vom Spitzenkandidat der Berliner Landesliste für die Partei Die PARTEI, Nico Semsrott (zitiert nach jetzt.de):

[…] die Grenze zwischen Satire und Realität ist so aufgeweicht, dass ich mir denke: Wenn Politiker nur noch Satire machen, müssen wir Satiriker eben Politik machen.

Paradigmenwechsel in der Gewaltenteilung

Wenn inzwischen also ein Großteil der Medien als Vierte Gewalt ausfällt und weichgespülter Polit-Klamauk à la heute show und extra 3 als Satire bezeichnet wird, ist die Zeit für einen Schritt nach vorne: Satire in die Politik.

Unterstützung aka „Wahlkampfkostenerstattung“

Neben weiteren Argumenten wie den vielen klugen Köpfen, die für die Partei Die PARTEI kandidieren (nicht zu vergessen: Esther Isaak de Schmidt-Bohländer als Kandidatin für die erste Bierministerin Deutschlands), gibt es vor allem ein ganz pragmatisches für mich: Die sog. staatliche Teilfinanzierung, auch unter dem Begriff Wahlkampfkostenerstattung bekannt.

Die Parteien erhalten bei Bundestags- und Europawahlen für die ersten vier Millionen gültigen Listenwählerstimmen jährlich jeweils 1,00 Euro pro Stimme erstattet. Voraussetzung: Die Parteien haben einen Stimmenanteil von über 0,5 Prozent (bei Europa- und Bundestagswahlen) […]. Jede weitere Stimme bringt jährlich 83 Cent. […]

Zusätzlich zu diesem Grundaufwand wird ein vom Wahlkampf unabhängiger Zuschuss eingeführt. Die Parteien erhalten 45 Cent für jeden von ihnen eingenommenen Beitrags- und Spendeneuro, sofern die Zuwendungen von natürlichen Personen stammen und pro Person und Jahr 3.300 Euro nicht übersteigen.

Neben der „relativen Obergrenze“, wonach der Zuschuss für eine Partei deren selbst erwirtschafteten Gewinn nicht überschreiten darf, ist die jährliche Parteienfinanzierung gedeckelt. Im Jahr 2016 lag diese „absolute Obergrenze“ bei 160.519.363 Euro. Jedes Jahr wird die absolute Obergrenze auf Grundlage einer gesetzlich geregelten Dynamik angepasst.

Meine Stimme ist also bares Geld für die Partei DIE PARTEI. Das alleine ist mir Grund genug.

Fazit

Eine letzte Überlegung: Mal ehrlich, inwieweit ist es relevant, ob jene blaugetünchte braune Partei nun mit einem Wahlergebnis von 11 oder 12 Prozent Wählerstimmen in den Bundestag einzieht? Ein paar Minuten mehr oder weniger Redezeit dieser Dumpfbacken? Fällt das inhaltlich wirklich ins Gewicht?

Sicherlich wäre es zu kurz gegriffen, den an Regierungen der letzten 30 Jahre beteiligten Parteien die Schuld am Erstarken dieses zu erwartenden Neuzugangs im Bundestag zu geben. Aber ebenso falsch wäre es, diese vier von jeglicher Schuld freizusprechen. Insofern braucht es meines Erachtens im Sinne einer Vierten Macht eine gut aufgestellte Partei Die PARTEI, die die amtierenden Regierenden auf eine andere Art überwacht und kritisiert, als es die Medien oder DIE LINKE tun können. Und dabei möchte ich sie unterstützen.