Sommerzeit – Urlaubszeit – Zeit, in der Menschen vermehrt auch aus privaten Gründen, nämlich um ans Urlaubsziel zu gelangen, ins Flugzeug steigen. Und dort fällt auf, dass ein erheblicher Teil der Fluggäste beim kostenlosen Bordservice nach einem Tomatensaft verlangt. Tomatensaft? Wer würde denn in einem Restaurant, Café oder einer Kneipe so etwas als Getränk verlangen? Oder wie es Martin Puntigam von den Science Busters (vgl. Oktoberfest-Wissenschaft) ausdrückt:
Tomatensaft – der schmeckt und riecht ja auf der Erde oft wie eine länger nicht gelüftete Sporttasche. Im Flieger finden viele Menschen ihn aber auf einmal köstlich.
Werner Gruber, ebenfalls Mitglied der Science Busters, hat eine Erklärung parat, anzuhören in der Episode Flying Bloody Mary des Podcasts der Science Busters beim Radio FM4 des ORF:
Die Podcast-Episode ist leider inzwischen beim ORF nicht mehr online verfügbar.
Anfang 2010 gab das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen die Ergebnisse einer von der Deutschen Lufthansa AG in Auftrag gegebenen Studie bekannt:
Warum erfreut sich ausgerechnet Tomatensaft im Flieger einer großen Nachfrage? Im Rahmen einer sensorischen Studie im Fluglabor des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik wurde das Geheimnis gelüftet, warum das Nachtschattenextrakt zu den beliebtesten Getränken im Flugzeug gehört. Die ersten Probandentests belegen, dass die Geruchs- und Geschmacksschwelle bei niedrigem Druck und geringer Luftfeuchtigkeit höher liegen. […]
Wie die Science Busters bereits in der Episode Ohrenverschlagen ihres Podcasts erklärt haben, herrscht in Passagierflugzeugen bei normaler Reiseflughöhe ein Kabineninnendruck, der etwa dem Luftdruck in 2500 Höhe über dem Meeresspiegel entspricht. Dieser geringere Luftdruck, eine relativ geringe Luftfeuchtigkeit und ein relativ geringer Sauerstoffgehalt in der Flugzeugkabine führen zu einem veränderten Abdampfverhalten bei Speisen und Getränken und außerdem zu einer Verschiebung der Geruchs- und Geschmacksschwelle beim Menschen, und dies für unterschiedliche Geschmacksrichtungen in unterschiedlicher Weise: Süß und salzig werden schwächer wahrgenommen, sauer hingegen relativ dazu stärker. Diese Verschiebungen machen den Tomatensaft zum Gewinner über den Wolken. Dr. Andrea Burdack-Freitag vom Fraunhofer-Institut Holzkirchen fasst zusammen:
Tomatensaft wurde bei Normaldruck deutlich schlechter benotet als bei Niederdruck. Er wurde als erdig, muffig beschrieben. Unter Kabinendruck traten hingegen angenehm fruchtige Gerüche und süße, kühlende Geschmackseindrücke in den Vordergrund.
Um so besser, wenn einem der Tomatensaft schmeckt: Er enthält die Vitamine A, B1, B2, und C, außerdem Niacin, sekundäre Pflanzenstoffe sowie Mineralstoffe. Dass die Tomate rot erscheint, dafür sorgt der Farbstoff Lycopin, welcher als Antioxidans auch das Risiko an Krebs, besonders Prostatakrebs, zu erkranken mindert. Zudem soll der regelmäßige Genuss von Tomatensaft der Vorbeugung gegen Thrombose dienen. Nicht zuletzt gilt er als Kater-Killer. Dies ist, wie Gregor Boldt vermutet, vielleicht auch der Grund dafür, warum Tomatensaft verstärkt auf Rückflügen von Ferienzielen wie Mallorca genossen wird.
Wer sich die ganzen Informationen lieber akustisch mit bunten Bildern garniert zu Gemüte führt, dem sei der folgende Beitrag des NDR zum Thema empfohlen:
https://www.youtube.com/watch?v=EKF_lsJjuig
(via mysteryware.de)
10. Juli 2013 um 09:28 Uhr
Hm, habe noch nie erlebt oder gesehen, dass im Flugzeug jemand Tomatensaft bestellt…
Aber vielleicht nehme ich die falschen Flugzeuge?
10. Juli 2013 um 09:52 Uhr
Hm, ja, das muss wohl so sein.
Ich habe es noch nie erlebt, dass, wenn es gratis Tomatensaft gab, niemand einen bestellt hätte. Das rote Zeug nehme ich über den Wolken geradezu als Seuche wahr … (der ich auch schon ab und zu erlegen bin.)
10. Juli 2013 um 15:04 Uhr
Wahnsinn. 1,5 Millionen Liter Tomatensaft schütet die Airline über den Wolken aus. Der NDR Bericht zusätzlich zum Blogbeitrag zu sehen empfiehlt sich.
Echt ein Zufall, dass Tomatensaft auch noch gegen Thrombose vorbeugt.